Wie ihr wahrscheinlich wisst, habe ich mich dazu entschieden die ersten Monate in Sao Paulo in einer NGO zu arbeite – glücklicherweise bin ich fündig geworden und arbeite nun seit 2 Wochen für eine NGO die sich Monte Azul nennt und im Süden Sao Paulos aktiv ist. Mit der Stadt-Bahn fahre ich jeden Morgen ca. 30 Minuten zur Arbeit; ein richtiger Luxus ganz ohne Stau…
Hauptanliegen der NGO ist die Betreuung/ Ausbildung von Kindern sowie das Gesundheitssystem in drei großen Favelas zu verbessern und auszubauen. Die NGO ist eine der Größten in Sao Paulo und beschäftigt aktuell über 1.400 Mitarbeiter, die als Ärzte, Lehrer, Handwerker, Erzieher oder als Büroangestellte tätig sind – die NGO wurde schon Anfang der 80er Jahre von einer Deutschen gegründet und seitdem stetig ausgebaut. Unterstützer sind u.a. Böhringer Ingelheim, viele Privatpersonen, aber auch die Stadt Sao Paulo unterstützt einige konkrete Projekte.
Durch die jahrelange Arbeit und die vielseitigen Projekte der NGO in den Favelas (u.a. gibt es eine Bäckerei, einen Gemüsegarten) ist das Projekt inzwischen sehr nachhaltig, so dass auch ehemalige SchülerInnen Verantwortung übernehmen und z.B. als Projekt-Koordinatoren arbeiten – das heißt natürlich nicht, dass inzwischen alles reibungslos funktioniert. Es gibt weiterhin Drogen-/ Alkoholprobleme (die Dealer durfte ich bei der ersten Besichtigung gleich kennenlernen; die wohnen in der Favela, werden aber aus einer Nachbarfavela „beliefert“ und verkaufen die Drogen dann am Hauptplatz der Favela – die Polizei kommt ein Mal im Monat vorbei und kassiert dann ihren Anteil. Dagegen kann auch die NGO wenig ausrichten), hohe Arbeitslosigkeit, illegale Waffen, schwierige Wohnsituationen…aber zumindest die Infrastruktur (Strom, Wasser, befestigte Wege) ist im Vergleich zu anderen Favelas ganz gut entwickelt.
Ich selber arbeite mit der Geschäftsführung der NGO zusammen und bin aktuell dabei die Organisationsstruktur sowie die gesamten Administrationsprozesse zu überprüfen, um dann ggfs. Änderungen vorzunehmen. Da die NGO sehr schnell gewachsen ist, sind viele Strukturen entstanden, die eher hinderlich sind bzw. zu einer Intransparenz für die Geschäftsleitung führen – mal sehen, was ich da so anrichten (-äh- ausrichten) kann. Positiv ist (zumindest meistens), dass alle Mitarbeiter Brasilianer sind und fast kein Englisch sprechen, so dass ich gezwungen bin Portugiesisch zu sprechen… (anbei ein Bild der Verwaltung am Rande der Favela).
Die ersten Favelas in Brasilien entstanden nach Abschaffung der Sklaverei (1888). Insbesondere weil man die ehemaligen Hütten der Sklaven vernichtete, um alle Spuren der Sklaverei auszulöschen. Die Sklaven begannen daraufhin mit einfachen Mitteln wie Holz und Palmwedeln ihre Hütten an Hügeln zu bauen, insb. in Rio de Janeiro, um sie dann nach und nach weiterzuentwickeln.
Heute versteht man unter Favelas primär eine Ansammlung aus provisorisch gebauten Hütten (ähnlich Slums), bei denen die Bewohner in vielen Fällen nicht über legalen Grundbesitz verfügen – daher ist die Gefahr einer Räumung bei vielen immer präsent, wie man kurz vor der WM sehen konnte. Zu dieser Zeit wurden insbesondere in Rio einige Favelas geräumt und die Bewohner umgesiedelt. Aber es gibt auch Favelas die sich immer weiter entwickelt haben und die Infrastruktur ausgebaut haben, so dass die Regierung dort versucht die Grundversorgung sicherzustellen. Die meisten Bewohner der Favelas gehen einer normalen Arbeit nach und müssen teilweise bis zu 2-3 Stunden Anfahrt in Kauf nehmen (die Favelas liegen meistens am Stadtrand), um dann in „gehobeneren“ Vierteln als Hausmädchen, Security-Guard o.ä. zu arbeiten. Aber es haben sich auch sehr große Drogenkartelle gebildet; Hauptgrund für die vielen Morde und Auseinandersetzungen in den Favelas (Filmtipp: City of God!!)…entweder erschießen sich die unterschiedlichen Drogengangs untereinander oder sie haben Auseinandersetzungen mit der Militärpolizei, die nicht sehr zimperlich agiert.
In Sao Paulo selbst gibt es ca. 1.900 Favelas, in denen über 20% der Bevölkerung lebt – dies liegt insbesondere mit der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung zusammen, die es seit Ende des 19. Jahrhunderts in Sao Paulo gab. Zuerst durch den Kaffee-Boom, den viele als Anlass nahmen nach Sao Paulo zu ziehen (u.a. auch 1 Mio. Italiener zw. 1886 und 1905, die aber heute nicht in Favelas leben).
Die Wachstumsraten betrugen damals bis zu 14%. Mitte des 20. Jahrhunderts nahm dann die Industrialisierung in São Paulo Fahrt auf. Und bald siedelten sich auch deutsche Unternehmen wie BASF, Bosch, Siemens und Volkswagen an (50er – 80er). Vor allem aus dem armen Nordosten Brasiliens zogen unzählige Menschen gen Süden und bauten provisorische Bleiben am Rande von Sao Paulo, da es im Zentrum zu wenig und nur teure Wohnungen gab. Doch auch als sich der Bedarf an Arbeitskräften abschwächte, ging der Zustrom von Arbeitssuchenden weiter. Viele blieben ohne Stelle - und ohne Obdach. So entstanden die riesigen Armenviertel und legten sich wie ein Ring um das Zentrum der Metropole.
Die letzte Volkszählung aus dem Jahre 2010 spricht von insgesamt ca. 12 Mio. Einwohnern in ganz Brasilien, die heute in über 6.000 Favelas leben, mit sehr wenig Zugang zu öffentlichen Leistungen wie Strom, Wasser oder Gesundheit.
Hier noch einige Impressionen aus der Favela Monte Azul, die ich auf meinem Arbeitsweg aufnehmen konnte. Bisher gefällt es mir sehr gut. Wie meistens sind die Brasilianer auch hier immer offen, herzlich, interessiert… und haben ein Leichtigkeit des Seins, die sehr ansteckend sein kann. Es ist alles etwas entspannter… kann für die Arbeit aber manchmal auch etwas schwierig sein.
Hier noch einige Impressionen aus der Favela Monte Azul, die ich auf meinem Arbeitsweg aufnehmen konnte. Bisher gefällt es mir sehr gut. Wie meistens sind die Brasilianer auch hier immer offen, herzlich, interessiert… und haben ein Leichtigkeit des Seins, die sehr ansteckend sein kann. Es ist alles etwas entspannter… kann für die Arbeit aber manchmal auch etwas schwierig sein.
Im Internet findet ihr einige Informationen zu Monte Azul (http:/www.monteazul.org.br/home.php); zudem gibt es seit einigen Monaten ein sehr interessantes Buch über das gesamte Projekte ("Die Brückenbauerin. Wie Ute Craemer die Favela Monte Azul verwandelte" von Dunja Batarilo).
Und wer noch mehr über Favelas wissen möchte wird auf folgendem Blog fündig, der von zwei Deutschen entwickelt wurde, die mitten in der größten Favela Brasiliens leben (in Rio) und von den Veränderungen zwischen WM und Olympia 2016 berichten. http://favelawatchblog.com/