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Futebol no Brasil

In jeder Zeitung, an jeder Strassenecke und in vielen Gespraechen ist Fussball DAS bedeutendeste Tagesthema. Es geht nicht so sehr um die Nationalmannschaft – nach dem 7:1 Debakel, dem fruehen Aus in der Copa America do Sul sowie einem grossen Korruptionsskandal ist aktuell niemand gut auf die Nationalmannschaft zu sprechen (siehe auch http://www.faz.net/aktuell/sport/fussball/brasilianischer-fussball-gelaehmt-beraubt-und-korrupt-13699158.html) – sondern eher um die lokalen Vereine, die es in ganz Brasilien zu Hauf‘ gibt.

Aber wieso hat Fussball eine so grosse Bedeutung in Brasilien? Hier ein Erklaerungsversuch der Rosa Luxemburg Stiftung „Das Land war ein Spätstarter. Erst 1889 war Brasilien zur Republik geworden, und die erste republikanische Verfassung von 1891 legte den Grundstein für das moderne Brasilien. Nur wenige Jahre zuvor, 1888, war die Sklaverei endgültig abgeschafft worden. Zentren der beginnenden Industrialisierung und der urbanen Entwicklung waren Rio de Janeiro und zunehmend São Paulo. Waren 1907 noch 37% der brasilianischen Industrie in Rio de Janeiro angesiedelt, überflügelte São Paulo die damalige Hauptstadt bereits in den 1920er Jahren. 1920 lebten in São Paulo 580.000 Men- 49 schen, dort hatte sich eine Arbeiterschaft herausgebildet, in der zunächst anarchistische Gruppen dominierten. Die rasante Verbreitung des Fußballs ist nur dadurch zu erklären, dass in so kurzer Zeit Sport nicht einer monolithischen, sondern einer enorm diversifizierten Entwicklungslinie folgt. Sein Siegeszug – ausgehend von Rio de Janeiro und São Paulo – war eingebettet in einen allgemeinen Aufschwung des Sports in Europa und vielen anderen Ländern. Sportliche Betätigung wurde zum Bestandteil von Modernisierungstendenzen, die die Gesundheit des »Volkskörpers« zum Anliegen machten. Zugleich konnte der Fußball ganz unterschiedlich und von verschiedenen sozialen Gruppen mit Bedeutungen aufgeladen werden. Denn obwohl die Anfänge des Fußballs klar in der weißen, urbanen Elite liegen – die ersten sportsmen zur Jahrhundertwende in Brasilien waren reich, hatten Zugang zu elitären Clubs und kommunizierten mit europäischen Geschäftsleuten –, belegen frühe Dokumente des brasilianischen Fußballs, dass der neue Sport auch schnell in den Fabriken englischer Firmen Verbreitung fand. Dort wurde er von den Arbeitern gespielt, wohl auch um in den beginnenden Wettbewerben den Namen der Firmen bekannt zu machen. Eine wichtige Rolle spielten aber auch die europäischen Einwanderer, insbesondere Italiener und Deutsche, die damals zu den wichtigsten Einwanderungsgruppen gehörten und den Fußball bereits aus ihren Ursprungländern kannten. Die rasche Ausbreitung des neuen Spiels beschränkte sich nicht auf den in Vereinen organisierten Fußball. Überall ist Anfang des 20. Jahrhunderts ein Phänomen zu beobachten, das bald als futebol de várzea, als Bolzplatz-Fußball bekannt wurde:1 Freie Plätze werden in den Städten, in den Vororten und an den Stränden zum Fußballspielen genutzt. Fußball verbreitet sich als organisiertes Vergnügen der Elite und gleichzeitig als autonomes Spiel des Volkes. In rasantem Tempo beginnt der brasilianische Fußball alsbald seinen elitären Ursprung hinter sich zu lassen. Drei Vereine verkörpern gut die Tendenzen und Konflikte im frühen brasilianischen Fußball: Corinthians, Fluminense und Bangu.“ Sehr verwirrend ist am Anfang erstmal zu verstehen, welche Wettbewerbe es denn gibt. Denn das erste halbe Jahr gibt es die sogenannte „regionale Meisterschaft“, in der Mannschaft innerhalb der unterschiedlichen Bundesstaaten antreten und im zweiten halben Jahr wird dann die „nationale Meisterschaft“ ausgespielt. Dazwischen gibt es dann noch die Copa das libertadores (suedamerikanische Champions League) sowie die Copa do Brasil....de facto bedeutet dies, dass eigentlich immer irgendwo Fussball gespielt wird. Man empfaengt auch taeglich 2 – 5 Spiele auf diversenTV- Kanaelen, so dass man getrost sein Leben in Bars oder auf der Couch verbringen koennte.

In Sao Paulo selbst schlaegt das Herz eines jeden Einwohners fuer eines der vier grossen Teams: Corinthinas („der Arbeiterverein“), Palmeiras („der Italienerverein“), FC Sao Paulo („der Reichenverein“) oder FC Santos („der Pele-Verein“)... alles Vereine mit viel Tradition und einer sehr grossen Anhaengerschaft. Da fuer einige Fans der eigene Verein ueber alles steht, kochen die Emotionen innerhalb und ausserhalb des Stadions leider immer wieder hoch – bei meinem ersten Palmeiras-Spiel wurde ich gleich drauf hingewiesen die Vereinsfarbe „gruen“ zu tragen und auf keinen Fall schwarz oder weiss, die Farben der grossen Stadtrivalen. Schon die falsche Farbe kann manchmal zu Auseinandersetzungen fuehren – obwohl die Stadien seit der WM sicherer (auch teurer) geworden sind, gibt es immer wieder Ausschreitungen mit der Polizei oder gegnerischen Fans. Der Schiedsrichter muss hier eigentlich immer das Feld mit 3-4 Polizisten verlassen, die Schilder ueber ihn halten um nicht von Wurfgeschossen getroffen zu werden.

Bisher hatten wir das Gleuck im Murumbi Stadion den FC Sao Paulo live zu sehen, Palmeiras im Allianzstadion und Spiele von unserem Lieblingsverein (aber 3. Liga) Juventus Sao Paulo – die Stimmung ist aufgrund der organisierten Fangruppen („Torcidas“), den Sambatrommeln, den suedamerikanischen Emotionen ueberall bombastisch.... aber die spielerische Qualitaet ist nicht wirklich mit europaeischem Fussball zu vergleichen. Zudem ist das Spiel viel von Theatralik, Fouls und Emotionen bestimmt – habe noch kein Spiel ohne rote Karten gesehen... Wer mal in Sao Paulo sein sollte, aber kein Spiel live sehen kann, sollte zumindest dem Fussball-Museum am Pacamebu Stadion einen Besuch abstatten – bis dahin ist vielleicht auch die WM 2014 „verarbeitet“ und ausgestellt.


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