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Swim, Bike and Run in Floripa !

Vor knapp 10 Jahren ging ich an einem warm-sonnigen Sonntag in Frankfurt gegen 20h abends am Main joggen und wunderte mich, wieso um diese Uhrzeit vereinzelt Leute am Weg standen und Läufer anfeuerten – die Sportler sahen aus wie benebelt und quälten sich jeden Meter joggend oder laufend voran. Das war mein allererster Kontakt mit dem Ironman (3.8 KM Schwimmen, 180 KM Radfahren, 42,195 KM Laufen) – die Leute die ich damals sah waren seit ca. 14 Stunden unterwegs und auf dem Weg ins Ziel am Römerplatz. Diese Leistung war für mich damals unglaublich, unerreichbar und nicht nachvollziehbar – aber zugleich faszinierend: Was musste man tun, um das zu schaffen und nicht vorher zusammenzuklappen?

So richtig ging dieser Wettkampf nie aus meinem Kopf (im Gegenteil, er hat mich seitdem ein wenig angefixt) bis ich vor 3 Jahren beschloss, dass ich zumindest einmal im Leben einen Ironman finishen möchte…nachdem wir mit Carmen dann beschlossen haben 3-4 Jahre nach Brasilien überzusiedeln stellte ich fest auch in Brasilien gibt es viele Triathleten, spezialisierte Vereine und akzeptable Voraussetzungen um zu trainieren – vor allem das 25 Meter Becken in unserem Wohnkomplex ist ideal, daneben gibt es viele Parks in Fussnähe.

Nur das Radfahren ist nicht mit Europa vergleichbar: zum einen muss man aufgrund der Straßenverhältnisse auf jedes Loch achten, zudem kommen die Autofahrer hinzu die wenig mit Radfahrern anfangen können und diese daher lieber übersehen. Zu guter letzt gibt es immer wieder Überfalle auf Radfahrer aufgrund der teuren Räder, so dass man eigentlich nur an 2 – 3 ausgewählten Strecken trainieren kann. Entweder auf einem 15 KM Rundkurs an der Uni mit schrecklichem Asphalt, auf einer 7 KM Flachstrecke an einem stinkenden Fluss oder auf einer schön hügeligen stillgelegten 10 KM Strecke außerhalb der Stadt – nicht vergleichbar mit einer schönen Pfalzausfahrt mit Schorle-Halt oder dem Heidelberger Hausberg Königsstuhl. Aber ich habe versucht es positiv zu sehn: mental kann einem nicht mehr viel passieren wenn man 180 KM auf einer 10 KM trainieren muss.

Im Juni 2015 war es dann soweit: ich ergatterte einen Startplatz für den Ironman Florianopolis am 29.05.2016, zugleich die Südamerika-Meisterschaften, und trat einem Triathlon-Verein bei, um etwas strukturierter zu trainieren. Zwischen Juni und Dezember 2015 trainierte ich für meine Verhältnisse ziemlich intensiv (3-4 x pro Woche) und absolvierte einige kleinere Läufe und Triathlons. Mir wurde aber erst klar, worauf ich mich wirklich eingelassen hatte, als mir mein Trainer im Januar 2016 den Trainingsplan für die nächsten Monate schickte. Die nächsten 5 Monate sollten in etwas so aussehen:

- Montag: 2 KM Schwimmen (6h)/ 20 – 30 KM Laufen (19h)

- Dienstag: 60 KM Radfahren (19h) & Funktionales Training

- Mittwoch: 2 KM Schwimmen (6h)/ 30 KM Radfahren (19h)

- Donnerstag: 12 KM Intervalltraining Laufen (19h) & Funktionales Training

- Freitag: 60 KM Radfahren (5h)/ 2 KM Schwimmen (19h)

- Samstag: 120 – 180 KM Radfahren (6h)/ 5 KM Laufen

- Sonntag: Ruhetag

Im Durchschnitt waren das wohl zw. 12 – 18 Stunden pro Woche, je nach wöchentlichem Trainingsfokus. Zudem änderte ich meine Ernährung relativ stark, damit sich der Körper zumindest einigermaßen von den Strapazen erholen konnte und auch immer genug Energie fürs Training vorhanden war. Bis auf kleinere Wehwehchen und Beinschmerzen, lief die Vorbereitung sehr gut – bis zum Mittwoch vor dem Wettkampf: Auf dem Weg zur Arbeit rutschte ich auf einem nassen Boden aus und zog mir eine Muskelzerrung im Knie zu – ich dachte schon, dass es etwas Schlimmeres sei, da die Schmerzen die ersten beiden Tage sehr stark waren.

Aber glücklicherweise versicherte mir ein Arzt, dass ich wahrscheinlich starten könne und verschrieb mir hierfür auch starke Schmerzmittel – nur gewinnen duerfe ich nicht, da das Medikament auf der Dopingliste stehe (aber die Gefahr bestand nicht).Nach einer letzten Massage am Mittwochabend ging es dann Donnerstag samt Carmen, Rad und allen verrückten Triathlonutensilien die sich über die Zeit so ansammeln mit dem Flieger nach Florianopolis, wo schon zwei Freunde (Ric und Ju) auf uns warteten. Freitags konnten wir uns noch gut von dem ganzen Ironman-Rummel fernhalten und haben die Insel mit großartigen, weissen Sandstränden erkundet…nur Austern essen und Wein trinken konnte ich leider nicht – bei mir standen gefahrlose Kohlenhydrate und Wasser auf dem Programm.

Samstags wurde es dann Ernst – Streckenbesichtigung, Fahrrad sowie Laufsachen in die Wechselzone bringen, Ausruhen, gut Essen und Trinken. Zum Glück waren Carmen, Ric und Ju vor Ort, um die Stimmung oben zu halten, die Logistik zu organisieren und mir Mut zu machen!

Und dann ging es früh ins Bett, denn um 4.45h klingelte schon wieder der Wecker. Nach einem leckeren Frühstück mit viel Haferflocken, Bananen und Chiasamen ging es um 5.30h Richtung Startschuss ans Meer. Nachdem die letzten Minuten sehr hektisch waren (Startgruppe finden, aufs Klo gehen, von Carmen verabschieden, Neoprenanzug richtig anziehen, mit Vaseline einschmieren um keine Wunden zu riskieren, Schwimmbrille für eine klare Sicht aufsetzen und zu guter letzt die Badekappe), ging es um Punkt 7:10h los!

Das Schwimmen ist nicht meine Stärke, aber die ersten Meter fühlten sich sehr gut an…ich wunderte mich nur wieso ich so wenige Schläge abbekomme (beim Start ein inzwischen gewohntes Gefühl). Nach ein paar Minuten wurde mir klar, dass ich wegen der Meeresströmung und den Wellen etwas vom Kurs abgekommen war und meine Kontrahenten einige Meter weiter rechts schwommen. Nach ein paar Zusatzmetern war ich dann wieder bei der „Meute“ und kam die gesamten 3.8 Kilometer ganz gut durch – 1:18h zeigte die Uhr als ich in der Wechselzone ankam und auch Carmen, Ju und Ric an der Strecke erblickte. Nach einer kurzen Dusche, um das ganze Salzwasser vom Körper zu bekommen ging es raus aus dem Neoprenanzug.

Noch voller Adrenalin schnappte ich mein Rad in der Wechselzone und merkte erst auf dem Rad, dass es regnete und sehr kühl war – zum Glueck sollte der Regen im Laufe der Strecke etwas nachlassen, aber der Parcours blieb die gesamte Zeit über sehr nass…so dass es schwierig war viel Risiko in Abfahrten zu gehen. Aber ich fühlte mich weiterhin sehr gut und konzentrierte mich die nächsten 180 Kilometer auf dem Rad neben dem runden Tritt auf Essen und Trinken. Schlussendlich habe ich ca. 6 Liter Wasser und Gatorade getrunken, 6 belegte Brote gegessen (Philadelphia & Nutella), 3 Salztabletten sowie 3 Gels zu mir genommen. Um meine Stimmung oben zu halten, habe ich auch noch eine Tüte Para-Nüsse gegessen…die nasse Strecke war nicht sehr angenehm zu fahren, aber nach 5:31h auf dem Rad kam ich dann wieder in die Wechselzone um meine Laufschuhe zu schnüren.

Bisher hatte ich keine Probleme mit dem Knie, aber ich wusste dass es beim Laufen schwierig werden würde – die ersten 5 Kilometer merkte ich bei jedem Schritt das Knie, aber fühlte mich sonst sehr gut. Danach ging der Schmerz in den gesamten Körper über, was sich aber besser anfühlte – der Schmerz war nun nicht diametral, aber ein Teil von mir (und es war etwas, was ich erwartet hatte). Das Schöne war, dass ich auf der Strecke immer wieder Carmen & Co sehen konnte, die mir Extraenergie gaben und mich die ganze Zeit anfeuerten. Der Halbmarathon lief sehr gut (1:49h), so dass ich mich selbst ein wenig wunderte wann denn der Einbruch kommen sollte…und just ein paar Kilometer weiter, sollten die schlimmsten Laufkilometer meines Lebens kommen. Kilometer 25 – 32 KM!

Die Schmerzen waren so stark, dass ich immer wieder gehen musste, insb. das rechte Bein schien nicht mehr richtig zu wollen. Bei KM 32 sah ich dann wieder meine Crew, gab Carmen einen schnellen Kuss und ab dann waren die Schmerzen, zumindest mental verflogen. Die letzten 10 Kilometer lief es wie am Schnürchen, ich musste kein einziges Mal mehr gehen…ich versuchte nur alles zu ergattern was ich Essen und Trinken konnte. Kuchen, Gels, Pepsi, warme Suppe…da ich merkte, dass der Körper selber nur noch wenige Reserven hatte. Inzwischen war es schon dunkel, aber die Stimmung an der Strecke super – ich genoss richtig die letzten 20 Minuten und lief nach einem Marathon von 3:59h überglücklich, emotional und ein wenig stolz durchs Ziel. Ich hörte nur die Stimme des Sprechers „Christoph Meyers, you are an Ironman“, dachte an den Moment vor 10 Jahren, an das harte Training der letzten Monate und an den großartigen Support von Carmen! Dream accomplished!

Die nächsten Stunden aß und trank ich überglücklich, was mir in die Hände fiel und konnte die Nacht vor Aufregung nicht richtig schlafen. Der Muskelkater der mich noch ein paar Tage begleiten sollte, war für die Strapazen absolut in Ordnung…und am nächsten Tag konnte ich endlich auch die Austern bei Sonnenschein genießen!


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