Was wir von unserem Trip erwarten sollten war mir und Kazuo am Anfang eigentlich nicht ganz so ganz klar. Die Idee war nach Belem zu fliegen (Nordbrasilien) und von dort knapp drei Tage mit einem Linienschiff bis nach Santarem zu schippern – dort wollten wir das recht unbekannte Paradies „Alter do Chao“ kennenlernen – ein Süsswasser-Badeort am Rande des Amazonas. Nach einem recht entspannten Flug von Sao Paulo nach Belem, empfing uns die Amazonasstadt (ca. 1.2 Mil. Einwohner) mit 35 Grad, hoher Luftfeuchtigkeit und einem krachenden Gewitter.
So stellt man sich eine Dschungelstadt vor, die im Jahre 1616 von den Portugiesen gegründet und seitdem in vielen Auseinandersetzungen mit Franzosen, Engländer und Holländern verteidigt wurde. Zuerst war das Holz interessant für die Kolonialherren, dann Edelmetalle – den „Peak“ erreichte die Stadt jedoch während des Kautschukbooms im 19. Jahrhundert. Heute sind es insb. die Früchte aus den umliegenden Wäldern (wie Acai, Cupacu), der Fischfang, Holzverarbeitung und einige Dienstleistungssektoren, die die Wirtschaft stützen – aber man merkt an vielen Ecken der Stadt die klammen Kassen: nach 20h sollten wir nur noch Taxi fahren, wurde uns dann auch direkt im Hostel geraten. Dennoch hat die Stadt einiges zu bieten, zum Beispiel ist das gesamte Hafenviertel in eine moderne Gastronomie- und Kulturmeile ausgebaut worden. Genau hier ließen wir unseren ersten Tag mit Blick auf den Amazonas ausklingen. Am nächsten Morgen erkundeten wir die Altstadt Belems und versuchten auf unsere 20.000 Tagesschritte zu kommen, da wir die nächsten drei Tage wahrscheinlich eher auf dem Schiffsdeck sitzen würden. Nach den letzten Einkäufen für die Schiffsfahrt und einem guten Mahl liefen wir vollbepackt Richtung Docks, wo unser Schiff „Rondonia“ starten sollte.
Das Schiff ist ein ganz normales Linienschiff, was die Einwohner der Region für private oder geschäftliche Zwecke günstig von A nach B bringt, da es in der Nähe vieler Dörfer keine befestigten Straßen geschweige denn Flugplätze gibt. Da wir doch Respekt vor der Hitze und dem zweifelhaften Komfort von Hängematten hatten, hatten wir vorausschauend eine Kabine gebucht – wie sich herausstellte leider ohne Fenster, sehr eng, dafür mit Klimaanlage „18 Grad“ die von Beginn an durchgängig laufen sollte. (Erst am zweiten Tag entdeckten wir, dass die Kajüte Superior ein großes Fenster mit Blick auf den Fluss hatte - und das für nein paar Euro mehr)…
Ja und dann ging die Fahrt los…Entschleunigung konnte man wohl die nächsten 60 Stunden nennen. Kein Handynetz, nur Motorengeräusche, die Weite des Flusses und immer wieder Kanus und Hütten von Stämmen, die diese Region bewohnen. Als gute Touristen setzten wir uns oft auf das „Sonnendeck“ (als einzige!) und beobachteten den „flow“ des Schiffes: Ab und an dockten sich kleine Motorboote an, um ihre Waren zu verkaufen; Plastiksäcke mit Nahrung und Kleidern wurden von den Passagieren Richtung Kanus geworfen. Das lustige Schauspiel fanden wir sehr schnell traurig, da doch sehr viele junge Indios nur auf das Schiff warteten, um diese Spenden zu bekommen.
Auf der anderen Seite heitere, betrunkene Passagiere, die bei lauter Jukebox-Musik einen Cachaca nach dem anderen tranken. Die kulinarischen Highlights waren unsere spartanischen Mahlzeiten (Bananen, Brot mit Käse, Nüsse, Acerola-Kirschen) und das kühle Bier am Abend…ein Traum! Dann ging es um 21h in das kühle Bett (bzw. 2 Stunden später für Kazuo…ich musste Zeit gewinnen, damit mich das Schnarchen Kazuos nicht am Einschlafen hinderte).
Nach dieser Entschleunigungsfahrt mit vielen neuen Eindrücken, dockten wir am frühen Samstagmorgen in Santarem an, um von dort mit einem kleinen Bus Richtung Alter do Chao zu fahren. Dieser kleine Ort mit seinen Sandstränden und kristallklaren Gewässern wurde von The Guardian schon im Jahre 2009 zum schönsten Strand Brasiliens ausgerufen (https://www.theguardian.com/travel/2009/apr/15/beach-brazil-top-10), jedoch ist der Tourismus (zumindest international) noch nicht weit entwickelt. Wahrscheinlich durch die lange Anfahrt und wenigen Direktflüge innerhalb und außerhalb Brasiliens.
Unsere Gastgeberin in Alter do Chao (http://viladealter.com.br/ sehr empfehlenswert!) schaute uns mit großen und verständnislosen Augen an, als wir vor dem Tor der Herberge standen. Mit unserer dreckigen Plastiktüte inkl. Bananen und Nüssen, einem 5 Liter Wasserkanister, verschwitzt und riechend sowie der Erklärung „wir seien grad vom Busbahnhof hergelaufen und davor mit dem Boot aus Belem angereist“, fielen wir scheinbar nicht in ihre Wunsch-Zielgruppe. Dennoch, sie tischte uns ein großartiges Frühstück mit regionalen Spezialitäten auf…ein Kreditkarte kann schon mal Türen öffnen.
Neben großartigen „Karibikstränden“ und den obligatorischen Tischen und Stühlen am Wasserrand, kann man tagsüber in unterschiedlichste Nationalparks gehen, um dort das Leben der Indigenen oder auch die Fauna und Flora des Amazonas kennenzulernen. Mit einer lustigen brasilianischen Gruppe konnten wir so die unterschiedlichsten „natürlichen Medikamente“ aus dem Amazonas kennenlernen…Tee aus Baumrinde oder Baumharz ist gut gegen Übelkeit bzw. Leberprobleme; bestimmte Pflanzen sind gut um Wunden zu heilen und es gibt sogar eine Ameise, die genutzt wird um Wunden zuzunähen! Glücklicherweise blieb uns dies erspart; beeindruckend waren die ganzen Amazonastiere, -pflanzen und -früchte aber allemal!
Ein großartiger letzter Trip in Brasilien!!